Pressemitteilung: „weltwärts statt rückwärts“

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Ein Aufruf von grenzenlos e.V., den wir ohne zögern gerne mitveröffentlichen: Es geht um den neuen Entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“: „Die angekündigten Kritikpunkte entbehren jeglicher Grundlage und sind sachlich falsch. Es sieht verdächtig danach aus, dass auf Kosten eines entwicklungspolitischen Lern-, nicht Fachdienstes ausschließlich die allgemeine Kritik des Bonner Aufrufs an der deutschen Entwicklungspolitik erneut in die Öffentlichkeit gerückt werden soll. Wie ernst ist es den Beteiligten damit, sich fundiert inhaltlich mit dem Thema auseinanderzusetzen?

Denn hartnäckig wird Unverständnis für die Ziele von weltwärts gezeigt. Offensichtlich passen diese zu wenig in das altbackene Raster der Entwicklungspolitik. Denn der Erfolg entwicklungspolitischer Freiwilligendienste wird eben nicht in gebauten Brunnen, Schulen oder Brücken gemessen.

Freiwilligendienste sind Lerndienste und dann erfolgreich, wenn wertschätzende Kooperation, gegenseitiges Lernen, interkultureller Austausch, Aufbau von Verständnis für die jeweilige Situation und Anstoß für ein erneutes und eigenständiges Engagement nach dem Freiwilligendienst stattfinden. Gelingt dies, können perspektivisch mehr als 1750 Schulen in Afghanistan als Ergebnis erwartet werden.

Die Argumentation der Verfasser ist in sich nicht konsistent, denn Neudecks Grünhelme unterscheiden sich kaum von weltwärts Freiwilligen: Darunter sind auch frische Hochschulabsolventen ohne jegliche Berufspraxis und Auslandserfahrung. Wir möchten keinen Neid um eine angemessene Förderung oder eine gute öffentliche Wahrnehmen unterstellen und hoffen daher, dass ausschließlich bedachte inhaltliche Überlegungen und kein Egotrip Ursache der Einladung waren. So halten wir es für notwendig, nicht nur das bekannte Förderprogramm weltwärts zu kritisieren, sondern im Zuge der Diskussion um die Wehrpflicht den qualitativen Ausbaue bewehrter Freiwilligendienste zu begleiten.

Die Fokussierung auf entwicklungspolitische Projekte privater Träger greift viel zu kurz, wenn es darauf ankommt, größere Teile unserer weiterhin desinteressierten Gesellschaft für die Entwicklungspolitik zu sensibilisieren, was eigentlich im Sinne des Bonner Aufrufs sein sollte.

Freiwillige wie sie u.a. über weltwärts gefördert werden, sind nicht vergleichbar mit „bevormundenden Helfern“. Und viele dieser Freiwilligen lernen schneller, als professionelle Entwicklungshelfer oftmals bereit sind, ihre „Fachkompetenz“ zu relativieren. Wobei in der Tat einige Freiwillige erst lernen müssen, dass ihr Beitrag und ihre Projekte nur begrenzt Teil einer unmittelbaren Lösungen sind. Gleichermaßen lernen sie, dass sie durch langfristiges Engagement jedoch sehr wohl zur Verbesserung der Situation, insbesondere auch in Deutschland beitragen können. Mittels der Zusammenarbeit in den Projekten ist daher die Basis für eine eigenständige und mündige entwicklungspolitische Tätigkeit zu legen. weltwärts ist dementsprechend ein Programm der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit, der Bildungsarbeit der Freiwilligen in Deutschland nach dem Freiwilligendienst. Ergebnisse in der Projektarbeit sind erfreuliches Beiwerk.

Um aktuelle Entwicklungspolitik kritisch zu betrachtet, um gemäß des Bonner Aufrufs anders zu denken, nehmen Freiwillige eine besondere Position ein: Wie wenige andere Akteure sind sie direkt an der Basis in den Projekten tätig, unabhängig und ungebunden, da ihre berufliche Zukunft nicht auf dem Spiel steht und können zugleich mögliche Fehlentwicklungen direkt beobachten. Die Widersprüchlichkeiten der Entwicklungspolitik und gleichermaßen ihre Erfolge sind ihnen oft direkt einsichtig, was zu einem neuen Denken in der Entwicklungspolitik beitragen kann.

Bei seinem Auftritt auf der undjetzt?!-Rückkehrerkonferenz 2010 ist Kurt Gerhardt den Nachfragen zu seinem Standpunkt bezüglich weltwärts ausgewichen. Er hat es versäumt, sich eine fundierte Meinung zu bilden. Anstelle via Pressegespräch gegen ein erfolgreiches Förderprogramm in dessen Aufbauphase zu hetzen, fordern wir die Verfasser des Bonner Aufruf zum konstruktiven Diskurs mit den beteiligten Akteuren auf. Dafür stehen die Unterzeichner den Verfassern des Aufrufes gern bereit. Als einen solchen konstruktiven Diskussionsbeitrag sehen wir beispielsweise die einstimmig von den 178 teilnehmenden Freiwilligen der undjetzt?!-Konferenz beschlossene Wittener Erklärung.

Jede Beteiligung am konstruktive Diskurs zu weltwärts begrüßen wir ausdrücklich, eine dem Bonner Aufruf offensichtlich noch fehlende Sachkenntnis ist dazu jedoch unumgänglich.

Auch wir erkennen im weltwärts Programm einige kritische Punkte: Noch wird kein Freiwilligendienst für Jugendliche aus Entwicklungsländern in Deutschland ermöglicht, einige der anerkannten weltwärts-Projekte erfüllen nicht vollständig die geforderten Kriterien, unterrepräsentierte Zielgruppen werden noch unzureichend von den Entsendeorganisationen erreicht und auch die Kooperationsbereitschaft bezüglich Qualitätsentwicklung unter den Entsendeorganisationen sollte dringend verbessert werden. An diesen Stellen hat die Diskussion anzusetzen. Einzelaktionen wie das genannte Pressegespräch helfen nicht weiter, um 60 Jahre Erfahrung in entwicklungspolitischen Freiwilligendiensten in ein erfolgreiches und stark wachsendes Förderprogramm einzubeziehen.“

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